Dezember 2024

Was ist das Wichtigste an Weihnachten?

Für die einen ist es der Glühwein und der Stollen. Für die anderen sind es die Geschenke oder die Weißwürste nach der Christmette. Für mich ist es der Baum, der Christbaum.

Im Vertrauen, ich weiß schon, was an Weihnachten das Wichtigste ist. Aber der Christbaum gehört einfach dazu. Mit schimmernden Kugeln und ganz viel glitzerndem Lametta, das nach den Feiertagen fein säuberlich vom Baum gepflückt und eingelagert wird. Es riecht zart nach Wald und das Licht verbreitet einen heimeligen Glanz. Und man weiß, in welche Richtung man singen soll, während die darunterliegenden Päckchen schon mal in Augenschein genommen werden.

Und weil der Baum für mich so wichtig war, hat mein Vater jedes Jahr einen besorgen müssen. Aber weil für meinen Vater der Baum nicht so wichtig war, für ihn waren es mehr die Weißwürste, hat er die Sache nicht richtig ernst genommen. Am Heiligen Abend um die Mittagszeit ist er losgezogen und hat mit den Verkäufern um den Baum gefeilscht. 10 Mark, einmal sogar nur 5 Mark hat dann so ein Bäumchen gekostet. Entsprechend haben die Bäumchen dann ausgeschaut, aber ausreichend Lametta biegt das schon hin.

Da ist mein Vater auf die Idee gekommen, einen Baum mit Wurzeln zu kaufen, den wir nach dem Fest im Garten aussetzen könnten. Dann wäre er noch für was gut. Ein roter Teppich, darauf eine mit goldenen Sternen beklebte Holzkiste. Wir waren sehr zufrieden. Aber nach dem Dreikönigstag kam unter der Kiste auf dem niegelnagelneuen weißen Teppich ein knallroter Fleck zum Vorschein, der nie wieder ganz raus ging. Meine Mama war sauer.

Im Jahr drauf durften wir in der Oma ihrem Mitgiftwald ein Bäumchen selbst schlagen. Es gab dort jede Menge Boschn, das sind kleine Fichtenbäumchen im Kindergartenalter, die hervorragend für Christbäumchen geeignet sind und außerdem von Zeit zu Zeit ausgelichtet werden müssen, damit sie nicht zu eng stehen.

Wir sind also losmarschiert, mein Vater, meine Schwester und ich. Ein optimales Arrangement. Mein Vater hatte seinen günstigen Baum, für meine Mutter hielt sich die Verschmutzung im Wohnzimmer in Grenzen und meine Schwester und ich hatten die passende Kulisse für die Weihnachtslieder.

Irgendwann bin ich dann ausgezogen und hab eine eigene Familie gegründet. Mein Vater hat die Sache mit dem Baum sofort abgeschafft, dafür hatte ich jetzt einen eigenen Mann, den ich in den Wald geschickt habe. Dass man beim Christbaum sparsam sein muss, hatte ich ja zuhause gelernt. Der Wald gehörte inzwischen meinem Onkel, der aber durchaus großzügig war, was die Boschen betraf. Als Dankeschön haben wir ihm einen Teller Plätzchen vorbeigebracht und beim Heimgehen hat uns die Tante ein doppelt so großes Plätzchenpaket mitgegeben, als Dankeschön fürs Vorbeischauen.

Die ersten Jahre ist mein Mann allein in den Wald gegangen, da ich ein eigenes Kind in der Krippe hatte. Aber als der Nachwuchs dann größer war. haben wir uns gemeinsam auf den Weg gemacht. Wir sind so durch den verschneiten Wald gewandert und plötzlich bleibt mein Mann stehen, sagt, so den nehmen wir, setzt die Säge an und zack lag das Bäumchen da. Dass er bei mir schnell sein muss, war klar, sonst hätte ich mich ewig nicht entscheiden können. Ich steh noch so da und meine: „Also mit meinem Vater haben wir den Baum immer weiter hinten abgeschnitten. Wenn das der falsche Wald ist, haben wir all die Jahre einen Christbaum gestohlen.

Mein Mann: „Nein, nein der Onkel hat mir den Platz genau beschrieben und ich habe ja schließlich eine militärische Orientierungsausbildung. Wir sind hier schon richtig. Vielleicht war ja dein Vater im falschen Wald.“

Ich unterbrach ihn, als ob mein Vater nicht wüsste, wo der Wald seiner Mama wäre.

Die Stimmung drohte zu kippen. Da stand plötzlich ein wildfremder Mann vor uns. Mit schwarzen Stiefeln, selbstgestricktem Pullover, Vollbart und den Hut tief ins Gesicht gezogen und fragte, was wir hier so machen.

Während ich stotternd von der Oma, dem Onkel und dem Heiratsgut erzählte, zupfte mein Sohn an meiner Jacke: „Mama, ist das der Nikolaus?“ Der hätte mir grad noch gefehlt, in flagranti beim Christbaumstehlen erwischt. Aber der Mann grüßte nur und meinte:“ Ja dann passt das schon.“ Drehte sich um und ging.

Wir trugen das Bäumchen nach Hause, schmückten es, sangen unsere Lieder und aßen unsere Weißwürste. Die lagen mir aber schwer im Magen und als die Kinder schliefen, war ich doch sehr verzweifelt, wegen der eventuell begangenen Straftat. Mein Mann beruhigte mich darauf hin, er hätte heute bei der Mette eine großzügige Gabe in den Klingenbeutel gelegt.

Inzwischen kaufen wir unseren Christbaum bei einer Plantage. Sicherheitshalber.

Ich wünsche euch ein friedvolles Weihnachtsfest und wir lesen uns im neuen Jahr.

Servus   

eure    Gitti   

Diesen Beitrag gibt es auch als PDF zum Download.